Nach dem Krieg war der größte Teil der Sportstätten zerstört und Österreich war in Besatzungszonen aufgeteilt, in denen unterschiedliche Bedingungen für die Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung herrschten. Der Schießsport, Judo und der Flugsport fielen unter die „Wiederaufrüstungsgefahr” und waren gänzlich untersagt. Aber auch die anderen Disziplinen fanden nicht gerade optimale Voraussetzungen vor. Während in den Zonen der westlichen Alliierten die verbotenen Sportarten ab 24. Juni 1945 wieder ungehindert ausgeübt werden durften, war dies in der russischen Militärzone erst ab 1947 der Fall. 1945 wurde durch den Präsidenten des Schwerathletikverbandes Karl Mairinger und Josef Kühr (Sen.) der Österreichische Amatuer-Kraftsport-Verband (ÖAKV) gegründet. Diese Organisation bildete fortan und bis zur Gründung des „Österreichischen Amateur Judo Verbandes (ÖAJV)” die Heimatstätte auch für die Judoka. Idealisten wie Josef Kühr, Franz Nimführ, Edmund Gabriel, Erich Nicham, Anton Hegenbart und viele andere mehr waren die Männer der ersten Stunde, die Vereinsgründungen durchführten oder sich bereits gegründeten Vereinen anschlossen und so den Grundstein zum Siegeszug des Judo-Sportes legten.
Welche Verhältnisse damals herrschten möchte ich anhand folgender Schilderung veranschaulichen, die mir Herr Edmund GABRIEL machte:
Judogi (die Kampfkleidung) mußten damals in Eigenproduktion hergestellt werden. Als Ausgangsmaterial dienten Mehl- und Zuckersäcke der Besatzungsmächte, vorwiegen der amerikanischen. Die Beschaffung dieser rauhen Juttesäcke war nicht sehr einfach und war mit unter lebensgefährlich. Diese mußten dann noch gewaschen und gebleicht werden, damit man die Aufschrift „U.S. Army” nicht mehr lesen konnte. Matten, vor allem in ausreichender Anzahl, gab es ebenfalls nicht. Man half sich mit Matratzen oder borgte sich die Matten von adäquaten Sportarten, wie etwa Ringen aus. Auch die Trainingsbedingungen waren alles andere als ideal. Meistens wurde ohne elektrischem Licht nur im Schein einer einzigen Karbitlampe und ohne Heizung in kalten, nassen Kellergewölben trainiert. Man trug daher zusätzlich, unter dem selbstgeschneiderten Judogi einen Trainingsanzug und warme Schisocken. Duschen gab es ebenfalls nicht. Bei Wettkämpfen, falls solche zustande kamen, waren die Athleten nicht nur Kämpfer, sie fungierten häufig zusätzlich als Wettkampfleiter, Betreuer, Kampfrichter und waren auch im Schiedsgericht tätig.
Trotz all dieser widrigen Umstände ließ man sich nicht davon abhalten, den geliebten Sport auszuüben und Werbung für ihn zu machen. In diesem Sinne nahmen Judoka des Vereines Schwarz-Weiß-Westbahn und die Brüder Edmund und Kurt Gabriel, Erich Nicham und Alfred Olbort am 1. Dezember 1946 im Zirkus und Theatervarieté Colosseum an einer Wohltätigkeitsveranstaltung zu Gunsten armer Kinder teil, in dessen Rahmen auch Judo-Schaukämpfe vorgeführt wurden.
Am 4. Jänner 1947 fand schließlich das erste Städteturnier zwischen Wien und Salzburg statt. Der Retourkampf wurde am 24. Februar 1947 ausgetragen. Beide Male gewann Wien mit 10:0. Und am 24. März dieses Jahres fand der erste internationale Wettkampf nach dem Krieg statt. Es war dies der Länderkampf Österreich gegen die Tschechoslowakei im „Luzerna Palais“ in Prag vor 2.000 Zuschauern. Österreich siegte mit 7:3 Punkten. Am 23. September 1947 wurde die erste Neulingsmeisterschaft ausgetragen. Die Sieger von damals waren:
Federgewicht: | WALTER | Rudolf | (JC-Straßenbahn) |
Leichgewicht: | PAPAK | (JC-Wien) | |
Mittelgewicht: | BUCHELLE | Prosper (Jun.) | (JC-Wien) |
Halbschwergewicht: | BAYER | Herbert | (JC-Austria) |
Schwergewicht: | JAQUEMOND | Robert | (JC-Austria) |